Präparat Bergsturz. Konservierte Bewegung

Präparat Bergsturz
Konservierte Bewegung

25. August bis 18. November 2012


Der von Naturgewalten geprägte Lebensraum Graubündens steht im
Zentrum von «Präparat Bergsturz». Ausgehend vom Flimser Bergsturz
stellt sich die Frage, wie ein derartiges längst vergangenes Ereignis
heute sichtbar und eine so plötzliche Bewegung haltbar gemacht wer-
den können. Die Ausstellung steht im Zusammenhang mit dem gleich-
namigen Nationalfondsprojekt an der Hochschule der Künste Bern und
versammelt Arbeiten von 16 Kunstschaffenden.
Ein Forschungsteam mit der Wissenschaftshistorikerin Priska Gisler und
den Kunstschaffenden Florian Dombois, Schirin Kretschmann und Mar-
kus Schwander hat sich der Aufgabe verschrieben, sich dem Flimser
Bergsturz künstlerisch und theoretisch anzunähern. Das Instrumenta-
rium für diese Auseinandersetzung bildet das Präparat, ein aus den Na-
turwissenschaften bekanntes Verfahren zur Freistellung, Herrichtung
und Konservierung eines bestimmten Gegenstands. Die Besonderheit
des Präparats liegt in seiner Materialität. Im Gegensatz zu einem Mo-
dell, besteht ein Präparat immer aus demselben Stoff wie das zu zei-
genden Phänomen. Wie bringt man nun den Bergsturz ins Museum?
Neben den neu entstehenden Audioinstallationen und Rauminterventio-
nen von Dombois, Kretschmann und Schwander werden ausgewählte
Positionen vorwiegend zeitgenössischer Kunstschaffender gezeigt, die
Strategien des Präparierens entwickeln oder dem Stürzen des Berges
nachgehen, wobei die Widersprüchlichkeit, Bewegung fixieren zu wol-
len im Zentrum steht. Mit Roman Signers neuer Installation „Stein-
schlag“ wird nicht nur die Wucht fallender Steine, sondern auch die
skulpturale, formende Kraft eines solchen Ereignisses nachvollzogen.
Gereon Leppers Felsbrocken drehen in einem Zylinder im ewigen Zy-
klus von Stillstand und Losbrechen. Beide Arbeiten verweisen modell-
haft auf die Mechanismen des Bergsturzes, aber nähern sich dem Prä-
paratsbegriff durch die Verwendung realen Gesteins mit seinen akus-
tischen, olfaktorischen und physikalischen Eigenschaften. Katja Schen-
ker und Esther Mathis schaffen noch deutlichere Bezüge zum geologi-
schen Präparat, um sie gleichzeitig zu unterlaufen.
Auch wenn die systematische Akribie von Mark Boyle’s Erdoberflächen-
präparaten oder Dominik Zehnders negativer, auf die Fehlstelle verwei-
sender Felsabguss an eine naturwissenschaftliche Praxis anlehnen, so
bietet die Kunst überwiegend metaphorische Parallelen und nicht-sprach-
liche Erkenntnisse bezüglich des Materials und seiner Eigenschaften. Die
Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft wird in diesem Projekt
bewusst thematisiert, Wissenschaftsforscher und Geologen in die Diskus-
sion einbezogen, da sich die beiden Bereiche immer schon durchdrungen
haben. So waren im Churer Museum die naturwissenschaftliche und die
Kunstsammlung lange unter demselben Dach versammelt. Darüber hi-
naus gelang 2009 mit „Vermessen. Strategien zur Erfassung von Raum“
bereits eine erste Ausstellung mit interdisziplinärem Ansatz, was in „Prä-
parat Bergsturz“ nun Fortsetzung findet.
Katharina Ammann

KünstlerInnen
Mathias Balzer, Boyle Family, Florian Dombois, Naoya Hatakeyama,
Andreas Renatus Högger, Schirin Kretschmann, Gereon Lepper, Esther
Mathis, Matthäus Merian, Katja Schenker, Markus Schwander, Roman
Signer, Robert Smithson, Daniel Spoerri, Monica Studer /Christoph van
den Berg, Dominik Zehnder
Naoya Hatakeyama, Blast 5416, 1998/99, Cibachrome, 100 x 150 cm, dz Bank Kunstsammlung im Städel Museum, Städel Museum, Frankfurt a. M.
Ausstellungsansicht Präparat Bergsturz (Schwander, Kretschmann)
Ausstellungsansicht Präparat Bergsturz,
Roman Signer