Springende Lachse.
Arbeiten auf Papier aus der Sammlung.
12. Februar bis 3. Juni 2012
Arbeiten auf Papier bilden das eigentliche Rückgrat der Sammlung
von Peter und Elisabeth Bosshard. Neben der Zeichnung sind so-
wohl Grafiken und Fotografien als auch installative Arbeiten breit
vertreten. Die Sammlung Bosshard gibt einen weiten - durchaus
subjektiven - Einblick in über vierzig Jahre Schweizer Kunstschaf-
fen.
Thematisch bewegt sich die Ausstellung zwischen Chaos und Prä-
zision, Ordnung und Wahnsinn, Eigensinn und Heiterkeit. Es sind
Arbeiten von rund 70 Künstlerinnen und Künstlern zu sehen.
Die Ausstellung „Springende Lachse“ versucht eine Ordnung der
gezeigten Werke nach Begriffen, die gemeinhin mit sogenannter
„Swissness“ oder ihrem Gegenteil verbunden werden: Präzision,
Innovation, Ordnung, Chaos, Wahnsinn, Eigensinn und Heiterkeit.
Diese Begriffe finden sich auch in der Haltung der Sammler wie-
der und in ihrer Art, nach welchen (teilweise auch nur vermute-
ten) Kriterien sie Kunst erwerben. In dichter Hängung versucht
die Ausstellung eine Tour d’horizon durch die Sammlung. Auf-
fällig oft trifft man dabei auf Alltägliches oder (vermeintlich) Un-
scheinbares. Betrachtet man die Sammlung in ihrer Gesamtheit,
so manifestiert sich darin das Interesse an der künstlerischen
Umdeutung der Welt, gerade in der Vielstimmigkeit, wie sie
eben nicht in einer einzelnen Stilrichtung, sondern nur in unter-
schiedlichen künstlerischen Positionen zum Ausdruck kommen
kann.
Bereits seit den 1970er Jahren ist in der Schweizer Kunst eine
regionale Verankerung des Schaffens zu beobachten, das die
internationalen Strömungen weder negiert noch unberührt von
ihnen bleibt. Notorische Ordnungssucht wird mit irrwitzigem
Arbeitsfleiss ad absurdum geführt und so die Schweizer Reali-
tät vorgeführt und zugleich entlarvt. Der vielzitierten Enge be-
gegnen die Kunstschaffenden mit Strategien von extremer In-
trospektion (wie in den 1980er Jahren) bis zur Flucht in die
virtuelle Welt. In diesen weiten Bogen spannen sich die Arbei-
ten der „Springenden Lachse“. Der Titel der Ausstellung ist
einer Zeichnung von Filib Schürmann entliehen, führt nur über
Umwege zum Ziel und deutet auf die poetischen Qualitäten der
als Leitplanken dienenden Begriffe.
„Ordnung“ ist das halbe Leben, auf die vermeintliche Sicherheit
sollte man sich jedoch nicht zu sehr verlassen. Uwe Wittwer
bringt in seinen Pinselätzungen „Zur Jagdzeit“ vom Stillleben
über den röhrenden Hirsch bis zum Kriegsschiff die unter-
schiedlichsten Realitäten des Lebens zusammen und konfron-
tiert uns mit Fragen nach Sinn und Zusammenhang derselben.
Einem Tagebuch gleich fügen sich die Aquarelle von Adrian
Schiess aneinander, die seit 1998 jeweils in loser Folge ent-
stehen.
Nicht nur Bergler und Hinterwäldler sind auf ihren „Eigensinn“
stolz. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft und
Familie thematisiert Annelies Štrba in der über Jahre entstan-
denen Serie „Shades of time“. Eigene Welten und innere Bilder
prägen auch die Arbeiten von Silvia Bächli, Ilona Rüegg oder
Alexander Hahn. Filib Schürmann zeichnet versponnene Wun-
derwelten, deren Kindlichkeit jedoch schnell kippt.
„Chaos“ und „Wahnsinn“ paaren sich nur zu gern mit Beklem-
mung und Betroffenheit, aber auch mit Schönheit und bilden
mitunter einen guten Nährboden für ausdrucksstarke Kunst.
Grenzen brechen auf und die Wahrnehmung verschiebt sich.
Die zentrale und grösste Wand ist in diesem Sinn mit einer
dichten (Bosshard’schen) Hängung versehen. Ebenso verlieren
und verstricken kann man sich in den Grafiken von Klaus Lutz,
in denen sich eigene Welten auftun. Miriam Cahn oder Yves
Netzhammer konfrontieren uns sehr direkt mit dem innersten
Wesen des Menschen und seiner psychischen Verfassung.
„Präzision“ meint auch genaues Schauen und Hinterfragen.
Christian Rothacher hat in 86 Linolschnitten das Vertraute und
Befremdliche des Alltags festgehalten. Gebaute Landschaften
jenseits der Wirklichkeit zeichnet Raffaella Chiara. Das Auslo-
ten des Raumes und seiner Möglichkeiten begleitete Matias
Spescha in seinem gesamten Werk.
Das Unbeschwerte wird nur zu oft mit viel Anstrengung ge-
sucht. „Heiterkeit“ stellt sich aber häufig ganz unverhofft ein,
eine Geste oder ein Wort können reichen und wir sind ge-
fangen von einem Werk. Mario Sala irritiert mit seinen ver-
sponnenen Welten und schrägen Geschichten, die den Be-
trachter anregen, die Welt auch einmal Kopf stehen zu lassen.
Weitere Arbeiten von u.a. Ian Anüll, Reto Boller, Anton Bruhin,
Franziska Furter, Valentin Hauri, Barbara Heé, Peter Z. Herzog,
Andreas Hofer, Daniela Keiser, Zilla Leutenegger, Thomas
Müllenbach, Niklaus Rüegg, Cécile Wick, David Willen.
Filib Schürmann (*1976), springende lachse…, 2007
Mischtechnik auf Papier, 29.7 x 21 cm
Carmen Perrin (*1953), Tracé, 2004
Graphit auf Büttenpapier, 140 x 161 cm
Annelies Štrba (*1947), Shades of time, 1994
Fotografie auf Leinen, 32-teilig, 215 x 482 cm
Markus Raetz (*1941), GAZE, 2001
Aquatinta auf Papier, 74 x 92.4 cm
Werke aus der Sammlung Kunst(Zeug)Haus in St. Petersburger Hängung
Alex Hanimann (*1955), Ohne Titel, 1999
Gouache auf Papier, je 84 x 60 cm
Mario Sala (*1965), Pan Gaz, Gebäude innen, 2003
Öl und Bleistift auf Papier, 6-teilig, 229 x 65 cm
Andreas Hofer (*1956), Offene Wand, 2006
Tusche auf Karton, 642 x 367 cm