Deftig Barock. Von Cattelan bis Zurbarán
Manifeste des prekär Vitalen
1. Juni – 2. September 2012
Das Wort «deftig» ist selber barock. Es führt etymologisch in seiner ursprünglichen Bedeutung von
«tüchtig, stark, kräftig, solide» in die Zeit um das 17. Jahrhundert zurück, in den niederländischen
Sprachraum. Deftig ist in dieser Ausstellung die Kunst in ihrer Direktheit und Lebensnähe. Als deftig
im heutigen Sinne von «drastisch, saftig» lässt sich gewissermassen auch das Prinzip der konfronta-
tiven Begegnung der Werke aus zwei weit auseinander liegenden Epochen bezeichnen.
Dabei geht es in «Deftig Barock» nicht um\n das illustrative Kurzschliessen von Motiven, Themen oder
Formanalogien,\n vielmehr um das Aufspüren einer Haltung, die mit künstlerisch \nsensualistischer
Intelligenz Lebensnähe als Vorstellung von «prallem \nLeben» beschwört sowie auch dessen Verlust
beklagt. Eine Haltung, die \ndarüber hinaus Fragen zur Kunst selber mit dieser verknüpft. Der Barock
\nwird mit Dynamik, Sinnenfreude, Verschwendung, mit dem Theatralen \ngleichgesetzt, mit der Abkehr
von der ruhigen Feierlichkeit der \nklassischen Formen, aber auch mit einer Epoche der Instabilität und
der \nzerbrechenden Ordnungen. Man hat im Barock eine «Kultur des Fliessens \nund der Interfaces»
(Christine Buci- Glucksmann) erkannt oder den Beginn\n unserer Moderne (Erwin Panofsky). Die Aus-
stellung soll auch daran \nerinnern, dass die Kunst des Barock erst seit den 30er und 40er Jahren \ndes
20. Jahrhunderts seine unangefochtene Wertschätzung erfährt – wie im\n Übrigen so oft –, veranlasst
durch Kunsthistoriker, die aus einer \ngewissen Nähe zur Kunst ihrer Zeit den Blick auf die Vergangen-
heit \nwagten. Es war Erwin Panofsky, der im Barock «den Sieg des \nSubjektivismus» begründet sah,
«der das Leiden und den Humor \ngleichermassen zum Ausdruck bringen will».
Mit Werken aus dem \nBarock unter anderen von Pieter Aertsen, Valentin de Boulogne, Jacob \nJordaens
sowie aus der Gegenwart von Nathalie Djurberg, Maurizio \nCattelan, Oscar Tuazon.
Marilyn Minter
Cheshire (Wangechi), 2011
Email auf Metallplatte, 152,4 x 243,8 cm
Privatsammlung
Courtesy of the artist and Salon 94, New York
© Marilyn Minter
Urs Fischer
Noisette, 2009
Collection of Anne Faggionato, Monaco
© Urs Fischer
Cindy Sherman
Untitled (# 465), 2008
Farbfotografie, 163,8 x 147,3 cm; Edition 3/6
Courtesy Sammlung Goetz, Foto Courtesy of the artist, Metro Pictures und Sprüth Magers Berlin London
© Cindy Sherman
Bartolomeo Passerotti,
Die verrückten Liebenden
Öl auf Leinwand, 114 x 118 cm
Privatbesitz, Paris
Jan Steen
Die verkehrte Welt, 1663
Öl auf Leinwand, 105 x 145 cm
Kunsthistorisches Museum Wien
Abraham Teniers
Barbierstube mit Affen und Katzen, um 1647/48
Öl auf Kupfer, 24 x 31 cm
Kunsthistorisches Museum Wien
Monsù Desiderio (François de Nomé)
König Asa von Juda zerstört die Idole., erste Hälfte 17. Jh.
Öl auf Leinwand, 73,9 x 100,9 cm
The Fitzwilliam Museum, Cambridge
Simon Vouet
Der Raub der Europa, ca. 1640
Öl auf Leinwand, 179 x 141.5 cm
Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid
Maurizio Cattelan
Ohne Titel, 2007
Harz, Kleidung, menschliches Haar, Seidenpapier, Holz, Schrauben und Holzbefestigungen,
235 x 137 x 47 cm
Privatsammlung
© Maurizio Cattelan
Juergen Teller
Paradis XVII / Mona Lisa (Charlotte Rampling, Raquel Zimmermann), Paris 2009
C-Type, 127 x 177.8 cm; Edition 3/5
Courtesy Lehmann Maupin Gallery and the Artist, © Juergen Teller
Pieter Aertsen
Die Fleischauslage, 1551-55
Öl auf Holz, 151 x 202 x 8,5 cm
Bonnefantenmuseum, Maastricht