Hodlers «Die Wahrheit» nach Restaurierung

Hodlers «Die Wahrheit» nach Restaurierung

Ferdinand Hodler (1853-1919), der herausragende Schweizer Maler an der Wende
vom 19. zum 20. Jahrhundert, schuf zwei Fassungen seiner bedeutenden Komposition
«Die Wahrheit». Die erste Fassung wurde restauriert. Vom 18. Januar bis 17. März
2013 ist sie gemeinsam mit der zweiten Fassung und weiteren Werken Hodlers in
der Sammlung ausgestellt.

Das monumentale, 196 x 273 cm grosse Ölgemälde «Die Wahrheit» entstand in seiner
ersten Fassung 1902. Es entstammt der Sammlung Alfred Rütschi und ging 1929 als
Geschenk der Erben an das Kunsthaus über. Die Komposition zeigt in der Mitte eine un-
bekleidete Frau, die links und rechts von unheimlichen «Dunkelmännern» umgeben ist.
Diese wenden sich, symmetrisch angeordnet, von ihr ab. Dabei repräsentiert die Frau
für Hodler die Wahrheit, vor der die Mächte des Dunkeln fliehen müssen.

DIE RESTAURIERUNG: GEFÄHRDUNG ABGEWANDT
Aufgrund seiner Maltechnik wies das Gemälde unterschiedliche Probleme auf: Die Mal-
schicht war wegen der geringen Bindemittelanteile und der kaum vorhandenen Grundie-
rung splittrig, neigte zu starker Riss- und Schüsselbildung und «puderte» ab. Die bei frü-
heren Restaurierungen ausgeführten Retuschen hatten sich im Laufe der Zeit farblich ver-
ändert und störten den ästhetischen Gesamteindruck. Im Januar 2012 wurde im Atelier
des Kunsthauses zunächst mit den kunsttechnologischen Untersuchungen des Bildes be-
gonnen. Fragen zum Aufbau der Malschicht und zu verwendeten Materialien wurden in
Zusammenarbeit mit dem Schweizer Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) geklärt.
Die sich anschliessenden, bis Dezember 2012 andauernden Massnahmen umfassten die
grossflächige Festigung und Stabilisierung der extrem matten Malerei. Schon die Reini-
gung der Oberfläche war eine delikate Angelegenheit. Durch Tests wurde das passen-
de Konsolidierungsmittel bestimmt, das weder eine Verdunkelung der Farbigkeit noch
eine Bildung von Glanzstellen hervorruft. Die fein craquelierte Malschicht wurde in ei-
nem arbeitsaufwendigen Prozess gefestigt. Nicht weniger zeitaufwendig gestalteten sich
die daran anschliessenden Kittungs- und Retuschearbeiten der kleinteiligen Malschichtaus-
brüche. Ältere, nicht stimmige Retuschen und Übermalungen wurden abgenommen bzw.
reduziert und mit Gouachefarben überretuschiert.
Ferdinand Hodler
Die Wahrheit, 1902
Erste Fassung
Öl auf Leinwand, 196 x 273 cm
Kunsthaus Zürich
Ferdinand Hodler
Die Wahrheit, 1903
Zweite Fassung
Öl auf Leinwand, 208 x 294,5 cm
Kunsthaus Zürich
Farblich veränderte Übermalung im schwarzen Umhang einer männlichen Figur
Foto © Kunsthaus Zürich
Restauratorin Viola Möckel beim Festigen der Malschicht
Foto © Kunsthaus Zürich
Schüsselförmig aufstehende Malschicht im rosafarbenen Hintergrund des Bildes
Foto © Kunsthaus Zürich