7. Februar bis 11. Mai 2014
Vom 7. Februar bis 11. Mai 2014 findet im Kunsthaus Zürich die Ausstellung «Von Matisse
zum Blauen Reiter. Expressionismus in Deutschland und Frankreich» statt. Über 100 Werke
von Cézanne, Gauguin, Matisse oder Delaunay korrigieren im Vergleich mit Schmidt-Rottluff,
Kirchner, Pechstein u.a. die allgemeine Ansicht, der Expressionismus sei eine ausschliesslich
deutsche Erfindung. Die ebenso erkenntnisreiche wie farbintensive Schau reist anschliessend
in die USA und nach Kanada weiter.
«Expressionismus» wird heute gemeinhin als deutsche Bewegung verstanden, ungeachtet
der Tatsache, dass er sich am Anfang des 20. Jahrhunderts aus einer lebhaften Auseinander-
setzung von deutschen Künstlern mit der Klas-sischen Moderne in Frankreich entwickelte
und die aktuelle französische Kunst in Deutschland präsent war. «Van Gogh traf moderne
Kunst wie ein Blitzschlag», schrieb ein deutscher Beobachter über den Einfluss des Malers
auf die deutschen Künstler zu einer Zeit, als diese bereits Seurat, Signac und die Post-impres-
sionisten rezipierten. Es folgten Cézanne, Gauguin und Matisse. Mit wahren Farbexplosionen
reagierten die Künstler der «Brücke» und des «Blauen Reiters» auf die Werke der französi-
schen Postimpressionisten und der «Fauves». Französische Kunst wurde in Deutschland auch
eifrig gesammelt, ausgestellt und von fortschrittlichen Museumsdirektoren für die eigenen
Sammlungen erworben.
Einzige Station in Europa
Die Ausstellung rückt die Verhältnisse ins richtige Licht. Sie zeigt, dass der Expressionismus
eine im Geiste des Kosmopolitismus entstandene Bewegung ist, die von produktivem Aus-
tausch geprägt war. Zu über 100 Meisterwerken von 37 Künstlerinnen und Künstlern werden
neue Forschungsergebnisse dieser bisher kaum wissenschaftlich nachgezeichneten Rezeptions-
geschichte präsen-tiert. Kuratorin für die einzige Station in Europa ist Cathérine Hug. Zusam-
men mit Timothy O. Benson, dem am Robert Gore Rifkind Center für Studien auf dem Gebiet
des deutschen Expressionismus tätigen Kurator, ist es dem Kunsthaus Zürich gelungen, Ge-
mälde und Grafiken zusammenzutragen, die zur damaligen Zeit in wichtigen Ausstellungen
und Sammlungen vertreten oder von deutschen Künstlern in Paris eingehend studiert wor-
den waren. Diesen Werken werden «Pendants» gegenübergestellt, in denen die Wirkung
der «Vorbilder» deutlich erkennbar ist.
Berliner Secession, Sonderbund und andere Einflüsse
Nicht mehr die Umwelt wie beim Impressionismus und Divisionismus, sondern die inneren
Empfindungen und Befindlichkeiten des Künstlers finden ihren formalen Ausdruck und ihre
kraftvolle, energiegeladene Sprache in der Kunst. Im eher groben Duktus widerspiegeln sich
die Ängste, aber auch die Hoffnungen einer äusserst produktiven und bewegten Zeit vor
dem ersten Weltkrieg. Unverkennbar ist der grosse Einfluss, den Vereinigungen wie die
«Berliner Secession» oder der «Sonderbund» in Köln, Galeristen, Kunsthändler und Samm-
ler wie Paul Cassirer, Harry Graf Kessler oder Karl Osthaus auf das Kunstgeschehen hatten.
Progressive Museumsdirektoren bestückten ihre Sammlungen mit Meisterwerken des Im-
pressionismus, des Postimpressio-nismus und des Fauvismus und erregten öffentliches Auf-
sehen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse anschaulich vermittelt
Neben einem Parcours durch die europäische Kunstgeschichte von Paris bis Berlin reflektiert
die Ausstellung neue Untersuchungen über deutsch-französische Beziehungen am Beginn
des 20. Jahrhunderts. Es sind frappierende Sehweisen und neue Wege zum Verständnis des
Expressionismus, die sich erstaunlich schnell erschliessen. Das Kunsthaus Zürich inszeniert
die Werke nach thematischen und formalen Gruppen: van Gogh, Paris, Fauves, Berlin, Kubis-
mus, Brücke, Blaue Reiter. Die Besucher erwartet eine sinnliche Gesamterfahrung mit über-
raschenden Gegenüberstellungen. Die expressive Kraft der Werke und ihr Bezug zueinander
sind für das Publikum sofort spürbar und leicht verständlich. Ein Bereich mit historischen Ma-
terialien – Drucksachen wie Quellentexte, Archivalien, Fotografien und Pressestimmen – ver-
deutlicht zudem die wissenschaftliche Leistung der Ausstellung.
Leihgaben aus den bedeutendsten Museen der Welt
Die rund 70 Gemälde, 30 Druckgrafiken und 40 historischen Dokumente stammen aus öffen-
tlichen und privaten Sammlungen in Europa und Übersee. Zu den berühmtesten Leihgebern
zählen das Musée d’Orsay, die Tate, das Metropolitan Museum, New York, die National Gallery
of Art Washington, die Nationalgalerie Berlin, das Folkwang Museum und die Merzbacher Kunst-
stiftung. Die Ausstellung wird anschliessend im Los Angeles County Museum of Art (LACMA)
und im Musée des beaux-arts de Montréal gezeigt. Timothy O. Benson zeichnet für die wissen-
schaftliche Erarbeitung und die Kooperation zwischen dem Kunsthaus und dem LACMA verant-
wortlich. Seine jüngsten Forschungsergebnisse sind neben Essays von Laird M. Easton, Clau-
dine Grammont, Frauke Josenhans, Katherine Kuenzli, Peter Kropmanns, Magdalena M. Moeller
und Sherwin Simmons sowie einem Gespräch zwischen Cathérine Hug, Georg Baselitz und Ro-
bert Menasse im umfangreichen Katalog versammelt (Prestel, 304 S., ca. 200 farbige Abb.,
CHF 58.- im Kunsthaus-Shop).
Kunstvermittlung und wissenschaftliches Begleitprogramm
An mehreren Wochentagen finden öffentliche Führungen statt: Mittwoch und Donnerstag 18 Uhr,
Freitag 15 Uhr und Sonntag 11 Uhr. Samstags von 15 bis 16 Uhr werden vernetzte Führungen
angeboten. Sie verbinden die Inhalte der Ausstellung mit Werken aus der Sammlung des Kunst-
hauses. Private Führungen auf Anfrage.
Ein umfassendes museumspädagogisches Programm mit Gesprächen, Workshops und Führungen
richtet sich an alle Generationen und ist online aufgeschaltet.
Ein wissenschaftliches Begleitprogramm umfasst drei Veranstaltungen:
Mi 26. März, 18.30–20 Uhr: Prof. Dr. Alexandre Kostka (Université de Strasbourg): «Künstler und
Vaterländer: das kosmopolitische Netzwerk des Harry Graf Kessler». Kurzreferat über das Wirken
des engagierten Förderers der Künste, der am Beginn des 20. Jahrhunderts mit Weitsicht und Di-
plomatie zu vermitteln verstand. Kurzreferat mit anschliessendem Publikumsgespräch. Modera-
tion Cathérine Hug.
Mi 9. April, 18.30–20 Uhr: Dr. Katja Förster (Karlsruhe): «Lieber Klee, wie freue ich mich, deine
hieroglyphenbriefe zu lesen… Dein Franz» – Über die Bedeutung von Künstlerbriefen für das
Verständnis von Biografien. Vergleichende Betrachtung der Korrespondenz zwischen Paul Klee
und Franz Marc. Kurzreferat mit anschliessendem Gespräch mit Prof. Dr. Wolfgang Kersten
(Universität Zürich). Moderation Cathérine Hug.
Mi 16. April, 18.30–20 Uhr: «Sehnsucht nach dem Fall – 1914 und Gedächtniskultur». Ein per-
formatives Gespräch zwischen Dr. Felix Philipp Ingold (Romainmôtier), Prof. Dr. Herbert Lach-
mayer (Wien), Cathérine Hug (Kunsthaus Zürich) und Dr. Gesa Schneider (Literaturhaus Zürich).
Eine Kooperation mit dem Literaturhaus Zürich.
Die Gespräche finden im Vortragssaal des Kunsthauses in deutscher Sprache statt. Der Eintritt
ist im Ausstellungsticket inbegriffen.
Konzert des Zürcher Kammerorchesters (ZKO)
In der Kunst der Moderne treffen sich Malerei und Musik auf frappierende Art und Weise. Be-
griffe wie Klang und Farbe sind bei Komponisten wie Debussy Synonyme. Die Musik des Ex-
pressionismus lebt dagegen vom starken Pinselstrich und geht bis an die Grenzen. Am Sonntag,
2. März, um 11 Uhr tritt das ZKO im Kunsthaus auf. Karten und weitere Informationen auf
www.zko.ch
Paul Gauguin
Le Gardien de porcs, 1888
Öl auf Leinwand, 73,03 x 93,03 cm
Los Angeles County Museum of Art, Geschenk von Lucille Ellis Simon und ihrer Familie zu Ehren des 25jährigen Geburtstags des Museums
Paul Cézanne
Grosses pommes, um 1891/92
Öl auf Leinwand, 44,8 x 58,7 cm
The Metropolitan Museum of Art, New York, Legat Stephen C. Clark, 1960
Alexej Jawlensky
Mädchen mit Pfingstrosen, 1909
Öl auf Karton, 101 x 75 cm
Kunst- und Museumsverein Wuppertal
Paula Modersohn-Becker
Sitzender Mädchenakt mit Blumenvasen, um 1907
Öl auf Leinwand, 89 x 109 cm
Von der Heydt-Museum Wuppertal
Courtesy Motive Gallery Brüssel
© Lonnie van Brummelen & Siebren de Haan
August Macke
Landschaft mit Kühen und Kamel, 1914
Öl auf Leinwand, 47 x 54 cm
Kunsthaus Zürich
Ernst Ludwig Kirchner
Strasse, Berlin, 1913
Öl auf Leinwand, 120,6 x 91,1 cm
The Museum of Modern Art, New York, erworben 1939
Ernst Ludwig Kirchner
Dodo am Tisch (Interieur mit Dodo), 1909
Öl auf Leinwand, 120,5 x 90 cm
Kirchner Museum Davos, Rosemarie Ketterer Stiftung
Franz Marc
Steiniger Weg (Gebirge/Landschaft), 1911 (übermalt 1912)
Öl auf Leinwand, 130,8 x 101 cm
San Francisco Museum of Modern Art, Geschenk des Women’s Board and Friends of the Museum