12. September 2014 – 26. April 2015
Vom 12. September 2014 – 26. April 2015 zeigt das Kunsthaus Zürich eine vom Künstler Peter
Fischli kuratierte Ausstellung über zwei wesentliche und höchst unterschiedliche Exponenten
der Schweizer Malerei – Ferdinand Hodler (1853-1918) und Jean-Frédéric Schnyder (*1945).
Verbindendes, Trennendes und Überraschendes liegen auf dem mit rund 180 Werken reichen
Parcours.
Grundlage der Ausstellung, die der Künstler Peter Fischli für das Kunsthaus realisiert, sind Zeich-
nungen und Gemälde Ferdinand Hodlers aus eigenen Beständen des Museums – Landschaften,
Naturstudien, Figurenkompositionen und Porträts. Konzeptuell darauf bezogen sind Jean-Frédéric
Schnyders Bilderzyklen «Berner Veduten» (1982–1983) und «am Thunersee» (1995). Fischli lenkt
den Blick auf den Schaffensprozess zweier charakteristischer Vertreter der Schweizer Kunst: der
eine ein gefeierter und unumgehbarer Hauptmeister an der Schwelle zur Moderne, der andere
ein Künstler, der nach dem Ende der klassisch gewordenen Moderne wesentliche Anregungen
zu geben vermochte. Eine wichtige Rolle spielt in beiden Fällen die im Freien studierte und ge-
malte Landschaft. Betont werden die Gemeinsamkeiten, aber insbesondere auch das «Ungleiche»
zwischen den beiden Künstlern. Für Kurator Peter Fischli ist der Begriff des «Ungleichen» der un-
ausgesprochene Titel der Ausstellung.
DAS ALLTÄGLICHE VERSUS DAS SUBLIME
Nach seiner Teilnahme an der legendären Ausstellung «When Attitudes Become Form» von 1968
in der Kunsthalle Bern wagte sich Schnyder 1970/71 erstmals auf das Terrain der Malerei. Als er
1982/83 die «Berner Veduten» malte, gewann die Auseinandersetzung mit ihr noch an Tiefe und
Bedeutung. Aus der Not, grad kein Atelier zu haben, setzte sich der Künstler – eine Staffelei auf
dem Rücken – Tag für Tag auf sein Velo und malte im Stil der Freiluftmalerei 106 Motive aus
Bern und Umgebung. Natur und Stadt, Liebliches und Hässliches, Migros und Münster: der Zyklus
prunkt mit einem formidablen Motivreichtum. Ziel war das Malen als Prozess ohne Wertungen,
das Malen an sich. Zeichnerische Studien und installative Objekte Schnyders runden die Präsen-
tation ab: Utensilien wie Rennrad, Wanderschuhe, Rucksack und Staffelei – die er im Schaffens-
prozess einsetzt – werden zu Skulpturen. Die Unterschiede zu Hodler sind frappant. Denn beim
grössten Schweizer Maler des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts ist alles Wertung, Beto-
nung, ein Herausarbeiten – Sublimieren. Bei ihm werden Mensch und Landschaft mittels grosser
Form in ihrer Beziehung zu einem geistigen Sinngefüge erfahrbar gemacht.
NIESEN UND NIEDERHORN
Hodler pflegte seine Landschaftsmotive im Freien zu malen. Mit den «Berner Veduten» hatte sich
auch Schnyder mit heiterer Ernsthaftigkeit erstmals als «Pleinairist» versucht. Als er dann 1995
seinen Zyklus der Thunersee-Bilder malte, betrat er vollends Hodlersches Terrain. Gerade der
Niesen ist ein Hodler-Berg par excellence. Schnyder, dessen Hand in der Zeit zwischen den Ve-
duten und den Thunersee-Bildern nuancierter geworden ist, malt ihn mehrmals und auch das
gegenüberliegende Niederhorn. Anders als bei den Veduten konzentriert er sich hier vor allem
auf zwei Motive. Die Standorte bleiben dieselben, was sich ändert sind die meteorologischen,
atmosphärischen und energetischen Bedingungen. Manchmal erscheinen die Berge fast erhaben
inszeniert, manchmal werden sie von Wolken verdeckt. Während Hodler stets den sublimen Mo-
ment suchte, wohnen wir bei Schnyder also wechselweise der An- und Abwesenheit des tradi-
tionell gesehen idealen malerischen Momentes bei. Zur einzigen Konstante wird die Malerei sel-
ber.
MALEREI ÜBER MALEREI
Die Malerei ist bereits bei Hodler als Thema stets omnipräsent. Bei allen Unterschieden erweist es
sich somit als grosse Gemeinsamkeit, dass die Malerei beider vor allem von der Malerei selber han-
delt. Jenseits von Ikonografie und Kategorisierungen erlaubt es die Ausstellung, am künstlerischen
Blick auf die Umsetzung der Welt in Malerei Anteil zu nehmen. Die Auswahl und Inszenierung durch
Peter Fischli als bedeutenden Künstler von heute, der einen unverstellten Blick auch auf den Altmeis-
ter Hodler wirft, macht diese Präsentation einmalig.
LANGE NICHT GEZEIGTE WERKE
Das Kunsthaus, das mehrere Hundert Werke Ferdinand Hodlers besitzt, überliess Peter Fischli die
Auswahl. Viele waren seit Jahrzehnten nicht zu sehen und kommen aus dem Kunsthaus-Depot ans
Licht. Mit rund 22 Gemälden und insgesamt 61 Zeichnungen Hodlers ist die Ausstellung reich be-
stückt. Die fragilen Arbeiten auf Papier werden zur Halbzeit ausgewechselt. Jean-Frédéric Schny-
ders Schaffen ist mit über 100 Werken zwischen 1982 und 1995 repräsentiert. Neben privaten
Sammlern sind namhafte Schweizer Museen unter den Leihgebern – das Aargauer Kunsthaus,
die Kunstmuseen in Basel und Bern, das Bündner Kunstmuseum, das Migros Museum für Gegen-
wartskunst und die Collection Pictet.
VERANSTALTUNGEN
Kunstgespräch mit Künstler Peter Fischli, Kurator der Ausstellung, und Kunsthistoriker Daniel Bau-
mann, der ab November die Direktion der Kunsthalle Zürich übernimmt. Thema ist u.a. das «Un-
gleiche» bei Ferdinand Hodler und Jean-Frédéric Schnyder. Mittwoch, 19. November, 18–19 Uhr.
Regelmässig und an unterschiedlichen Wochentagen finden öffentliche Führungen statt, für die
keine Anmeldung erforderlich ist. Weitere Informationen im Veranstaltungskalender unter
www.kunsthaus.ch.
Ferdinand Hodler
Waldbach bei Leissigen, 1904
Öl auf Leinwand, 88,5 x 101,5 cm
Kunsthaus Zürich, Legat Richard Schwarzenbach, 1920
Jean-Frédéric Schnyder
am Thunersee 10.10.1995
Öl auf Leinwand, 30 x 42 cm
Privatsammlung, Schweiz, Courtesy Galerie Eva Presenhuber, Zürich
© 2014 Jean-Frédéric Schnyder
Jean-Frédéric Schnyder
Niesen, 27.9.1983
Berner Vedute Nr. 118
Öl auf Leinwand, 48 x 64 cm
Kunstmuseum Bern, Sammlung Toni Gerber, Bern – Schenkung 1993
© 2014 Jean-Frédéric Schnyder
Jean-Frédéric Schnyder
Manuelschulhaus, 17.9.1982
Berner Vedute Nr. 4
Öl auf Leinwand, 48 x 65 cm
Collection Pictet
© 2014 Jean-Frédéric Schnyder
Jean-Frédéric Schnyder
Murtenstrasse, 21.02.1983
Berner Vedute Nr. 33
Öl auf Leinwand, 45 x 60 cm
Kunstmuseum Bern, Sammlung Toni Gerber, Bern – Schenkung 1993
© 2014 Jean-Frédéric Schnyder
Jean-Frédéric Schnyder
am Thunersee 11.10.1995
Öl auf Leinwand, 30 x 42 cm
Privatsammlung, Schweiz, Courtesy Galerie Eva Presenhuber, Zürich
© 2014 Jean-Frédéric Schnyder
Ferdinand Hodler
Sonniges Strässchen, um 1890
Öl auf Leinwand, 41 x 33 cm
Kunsthaus Zürich
Ferdinand Hodler
Grindelwaldgletscher, 1912
Öl auf Leinwand, 94 x 81 cm
Kunsthaus Zürich, Schenkung der Erben Alfred Rütschi, 1929
Ferdinand Hodler
Abend am Genfersee, 1895
Öl auf Leinwand, 100 x 130 cm
Kunsthaus Zürich, Leihgabe der Gottfried Keller-Stiftung