Meisterzeichnungen. 100 Jahre Grafische Sammlung

23. Januar bis 19. April 2015

2015 feiert die Grafische Sammlung im Kunsthaus Zürich ihr 100-jähriges Bestehen. Aus
diesem Anlass sind vom 23. Januar bis 19. April 2015 rund 120 auserlesene Zeichnungen
des 16. bis 21. Jahrhunderts in der Ausstellung «Meisterzeichnungen» vereint – Werke von
Raffael, Albrecht Dürer, Johann Heinrich Füssli, William Turner, Paul Cézanne, Vincent van
Gogh, Pablo Picasso, Sophie Taeuber-Arp, Alberto Giacometti, Cy Twombly, Erik van Lies-
hout, Jorinde Voigt u.a.

Anders als die klassischen Kupferstichkabinette, die sich auf fürstliche oder wissenschaft-
liche Sammlungen und Bibliotheken zurückführen lassen, steht am Anfang der Grafischen
Sammlung im Kunsthaus Zürich ein Kreis befreundeter Amateur-Künstler und Autodidak-
ten, die sich 1787 zur Künstlergesellschaft zusammengeschlossen haben. Man führte das
sogenannte «Malerbuch», in das von jedem Mitglied regelmässig Zeichnungen und Aqua-
relle eingelegt wurden.

GRÖSSTE ZEICHNUNGSBESTÄNDE VON FÜSSLI UND HODLER
1915 legte Direktor Wilhelm Wartmann das erste «Inventar der Handzeichnungen und
der Kupferstichsammlung» an. Es ist seiner Initiative zu verdanken, dass die weltweit
grössten Zeichnungsbestände von Johann Heinrich Füssli und Ferdinand Hodler ans Kunst-
haus kamen. In Ausstellungen und Sammlungskatalogen warb er für diese Akquisitionen.
Auch italienische, niederländische und schweizerische Altmeisterzeichnungen gelangten
durch gezielte Ankäufe und durch Schenkungen an den Heimplatz. Mit dem ersten Kunst-
haus-Erweiterungsbau von 1925 erhielten die Benutzer der grafischen Sammlung und der
Bibliothek einen grosszügigen Lese- und Studiensaal, der in den oberen Etagen auch für
Ausstellungen genutzt werden konnte – eine für damalige Verhältnisse optimale Service-
leistung.
ALTE MEISTER, KLASSISCHE MODERNE, GEGENWARTSKUNST
Mittlerweile ist die Grafische Sammlung mit 95‘000 Werken auf Papier zu einer respektab-
len Institution gewachsen. Für die Jubiläumsausstellung galt es, unter den 37‘000 Hand-
zeichnungen die besten, repräsentativsten und über-raschendsten auszuwählen: von
Raffael, Palma Vecchio, Perino del Vaga, Taddeo Zuccaro, Cavalier d’Arpino, Guercino,
Albrecht Dürer, Hans Leu, Tobias Stimmer, Jost Ammann, Hans-Jakob Plepp, Rudolf
Meyer, Jean-Baptiste Oudry, Rudolf Schellenberg, Salomon Gessner, Anton Graff, Johann
Heinrich Füssli, Théodore Géricault, William Turner, Alexandre Calame, Paul Cézanne,
Vincent van Gogh, Käthe Kollwitz, Max Ernst, Picabia, Marcel Duchamp, Pablo Picasso,
Hans Richter, Sophie Taeuber-Arp, Alberto Giacometti. Die grossen Namen der älteren
Kunstgeschichte bis hin zur Klassischen Moderne sind ebenso präsent wie herausragende
Künstler der Gegenwartskunst: Cy Twombly, Bruce Nauman, Miriam Cahn, Aleksandra Mir,
Erik van Lieshout, Jorinde Voigt u.a.

GATTUNGSÜBERGREIFENDE, INTERNATIONALE PRÄSENZ
Heute ist die Grafische Sammlung dank ihres innovativen Ausstellungsbetriebs, ihrer Er-
werbungen in den Bereichen Zeichnung, Druckgrafik, Fotografie, Film, Video, Multiple und
Installation sowie ihrer Kooperationen und Leihgaben mit den renommiertesten Museen der
Welt hervorragend vernetzt. Am Domizil in der Passage zwischen Rämistrasse und Hirschen-
graben sind seit 2005 die Kuratoren, die Konservierung sowie der Studiensaal für angemel-
dete Besucher mit den Zeichnungen und Grafiken unter einem Dach vereint. Foto-, Video-
und Filmarbeiten, Drucke und Collagen werden nicht nur verwahrt und restauriert, sondern
für Ausstellungen im Kunsthaus und andernorts wissenschaftlich auf-bereitet. Im Museum
finden regelmässig Ausstellungen zu aktuellen Positionen der Gegenwartskunst, zu Samm-
lungsschwerpunkten und Neuerwerbungen statt.

FARBEXPERIMENTE, TROMPE L’OEIL, GESELLSCHAFTSKRITIK
Während eineinhalb Jahren hat Bernhard von Waldkirch, Konservator der Grafischen Samm-
lung, gemeinsam mit einem wissenschaftlichen Beirat die Jubiläums-Ausstellung vorbereitet.
Der Schwerpunkt der Auswahl, die der Konservator zusammen mit Dr. Gian Casper Bott, Dr.
Christina Grummt und Dr. Paola von Wyss-Giacosa vorgenommen hat, liegt auf der Zeich-
nung im ursprünglichen Sinn; bei unterschiedlichen Techniken, Medien und Funktionen be-
hält das genuin Zeichnerische stets die Oberhand. Spätbarocke Farbexperimente, gestochen
scharfe Trompe-l’oeil-Architekturen, plastisch wirkende Kohle-Porträts, romantische Land-
schaften und subtile Gesellschaftskritik – das Spektrum der Themen ist ebenso breit wie die
raffiniert eingesetzten Techniken. Die auf mehreren hundert Quadratmetern in historischen
und modernen Gebäudeteilen des Kunsthauses eingerichtete Ausstellung zeigt die Zeich-
nungen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Gemälden und Skulpturen. Kenner wie Laien sind
beeindruckt, wie sich das zarte Papier in dieser Umgebung behauptet: vom Format eines
Taschenspiegels bis zum 2 x 6 Meter grossen, wandfüllenden Blatt. Werkimmanente Eigen-
schaften und jüngste Forschungsergebnisse sind Gegenstand regelmässig stattfindender
öffentlicher Führungen.
Vincent van Gogh
Die Strasse von Tarascon, Juli 1888
Feder und Rohrfeder in Braun und Schwarz über Bleistift auf Papier, 25,8 × 35 cm
Kunsthaus Zürich
Emil Nolde
Das Schiff, um 1910
Aquarell und Deckfarbe auf Japanpapier, 47,5 x 34,8 cm
Kunsthaus Zürich
© 2014 Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde
Joseph Mallord William Turner
Ein Festtag in Zürich, um 1845
Aquarell und Gouache über Bleistift auf Papier, 29 × 47,8 cm
Kunsthaus Zürich
Conrad Meyer
Der Zürichsee mit dem Üetliberg, von Stadelhofen aus gesehen, um 1655
Grafit, Pinsel und Feder in Grau, laviert, aquarelliert, auf Papier, 18,0 × 31,3 cm
Kunsthaus Zürich
Jan van Huysum
Blumenstillleben mit Kaiserkrone, Tulpen und Pfingstrosen, um 1723–24
Aquarell, Pinsel in Schwarz und Grau, Kohle und Feder in Braun auf Papier, 45,5 × 31,5 cm
Kunsthaus Zürich
Ferdinand Hodler
Dietegen deckt den Rückzug der Eidgenossen, 1898−99
Feder und Pinsel in Schwarz und Grau, Deckfarbe, laviert und gehöht, auf Papier, 48 × 31,5 cm
Kunsthaus Zürich
Johann Rudolf Schellenberg
Wiesenstück, um 1795−96
Feder in Schwarz, aquarelliert, über Bleistift, auf Papier, 18,7 x 12,2 cm
Kunsthaus Zürich
Johann Heinrich Füssli
Der Künstler verzweifelnd vor der Grösse der Antike, 1778−80
Rötel, laviert, auf Papier, 42,2 × 35,8 cm
Kunsthaus Zürich