19. Juni – 4. Oktober 2015
Vom 19. Juni bis 4. Oktober 2015 findet im Kunsthaus Zürich die erste Ausstellung einerPrivatsammlung statt, die in besonderem Masse auf das Wechselverhältnis zwischen Seele,
Geist und dem nackten Körper fokussiert. Die Präsentation umfasst über 100 überwiegend
zeitgenössische Fotografien, Skulpturen, Gemälde und Videos von rund 60 Künstlerinnen und
Künstlern. Thema ist der menschliche Körper und wie er mit der Umwelt kommuniziert.
Die grossen Sehnsüchte aller Zeiten waren schon immer Liebe, Geld und Macht. Alle drei
haben ein ebenso zerstörerisches wie kreatives Potenzial. Die im Rahmen der Festspiele
Zürich stattfindende Ausstellung erforscht, inwiefern sich diese drei Parameter des Lebens
in den letzten Jahrzehnten verändert haben.
KÖRPER ALS FILTER ZUR UMWELT
Kaum zuvor haben Menschen so stark über ihr Verhältnis zur eigenen Umwelt nachgedacht
wie im 20. und 21. Jahrhundert. Ausschlaggebend sind die wachsende und sich beschleuni-
gende Mobilität, die neuen Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Physis und Psy-
che und neue, sich schnell weiter entwickelnde bildgebende Technologien von der Fotografie
über das Kino bis zum Internet. Nichtsdestotrotz bleibt der dem Menschen am naheliegendste
«Filter» oder die Membran zur Umwelt sein eigener Körper – ob nackt oder verhüllt.
ERSTER MUSEUMSAUFTRITT DER PRIVATEN SAMMLUNG
Das Kunsthaus zeigt das Wechselverhältnis zwischen Seele, Geist und deren körperlicher
«Ausstülpung» hin zur Umwelt anhand von Fotografien, Skulpturen, Gemälden und Video-
arbeiten aus der Sammlung des Filmregisseurs Thomas Koerfer (*1944). Koerfers Sammel-
tätigkeit begann zu einer Zeit, als Körperdarstellungen noch überwiegend eine Privatange-
legenheit und durch soziale Medien noch nicht anonymisiert verbreitet und omnipräsent
waren. In den letzten 30 Jahren hat er europäische, nord- und lateinamerikanische, asia-
tische und fernöstliche Positionen zusammengetragen. Verbindendes und wiederkehrendes
Motiv zwischen den Werken ist der überwiegend nackte Körper. Der Blick des Filmemachers,
der mit seiner Kamera Macht über den Ausschnitt, eine Szene und den Zuschauer ausübt,
macht den Reiz dieser privaten Sammlung aus, die immer noch wächst. Die hier gezeigte
Auswahl von über 100 Objekten wurde von Kunsthaus-Kuratorin Cathérine Hug in enger
Zusammenarbeit mit Thomas Koerfer vorgenommen. Es ist der erste umfassende Überblick
über alle in der Kollektion vertretenen Genres.
VON DEGAS ÜBER KOONS BIS MAN RAY UND SARAH LUCAS
Unter den Künstlern und Werken vom 19. bis zum 21. Jahrhundert finden sich u.a. Nobuyoshi
Araki, Francesco Clemente, Edgar Degas, Nathalie Djurberg, Dokoupil, Marlene Dumas, Jeff
Koons, Alexej Koschkarow, Lee Lozano, Sarah Lucas, Robert Mapplethorpe, Boris Mikhailov,
Man Ray und Francesca Woodman. Wenn einige, vor allem malerische Arbeiten sich in den
Grenzbereich zwischen Kunst und Pornographie vorwagen und mit den widersprüchlichen
Begriffen spielen oder sie gar vereinen, werden in anderen Exponaten Gegenstände bei-
spielsweise fotografisch oder installativ in kontemplativen Stillleben inszeniert. Und ein auf
die Entfernung wunderbar ruhig, abstrakt anmutendes Gemälde entpuppt sich als Collage
aus tausenden Filmstreifen, deren Einzelbildchen eher zur Erregung als für kontemplative
Entspannung geschaffen wurden.
SELBSTBEFRAGUNG: WELCHE BILDER GEWINNEN MACHT?
Nach Jahrzehnten der inflationären Verfügbarkeit von Körperdarstellungen bei gleichzeitig
medial konditionierter Entfernung von sinnlichen Erfahrungen, regt sich Widerstand. Ein ge-
sellschaftlicher Trend zur Prüderie zeichnet sich ab. Aus dieser Perspektive mag sich das
eine oder andere Kunstwerk im Bereich der expliziten Darstellung von Sexualität bewegen.
Sinn und Zweck der Ausstellung ist es, den Besucher mit Fragen zum eigenen Körper und
dem Körper des oder der anderen zu konfrontieren. Erliege ich der Macht der Bilder? Wo
spüre ich zarte Zuneigung zu meinem Mitmenschen oder einem Gegenstand? In wessen
Haut würde ich gerne hineinschlüpfen und welche Rolle stösst mich ab? Diese Selbstbefra-
gung einerseits und die Suche nach dem Künstlerischen und dem Profanen im Werk selbst,
machen die Vermittlung dieser eigenwilligen und mit konsequent kühlem Blick zusammen-
getragenen Privatsammlung für das Kunsthaus und sein Publikum gleichermassen spannend.
Der Katalog zur Ausstellung erscheint im Kehrer Verlag, mit neuen Beiträgen von Tenzing
Barshee, Christoph Becker, Clemens Berger, Diedrich Diederichsen, Cathérine Hug,
Marianne Karabelnik, Fabienne Liptay und Mithu Sanyal.
Sarah Lucas
Idealized Smoker’s Chest # 4, 2000
Stuhl, BH, Fussbälle, Zigaretten, 74 x 50 x 50 cm
Privatsammlung
© Sarah Lucas
Andy Warhol
Blue Movie (Film Still), 1968
Siebdruck (Unikat), 97,8 x 166,8 cm
Privatsammlung
© 2015 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts
Michaël Borremans
The Examination, 2001
Öl auf Leinwand, 49,5 x 64,5 cm
Privatsammlung
© Michaël Borremans
Richard Phillips
Alone, 2000
Kohle und Kreide auf Papier, 47 x 61 cm
Privatsammlung
© Richard Phillips
Robert Mapplethorpe
Aus der Serie «Z Portfolio», 1979 – 1981
1 von 13 mit Selen getönten Abzügen, je 19 x 19 cm
Privatsammlung
© The Robert Mapplethorpe Foundation
Lee Lozano
Untitled, um 1963
Öl auf Leinwand, 96 x 111 cm
Privatsammlung
© The Estate of Lee Lozano
Ana Mendieta
Untitled, aus der Serie «Silueta», 1978
Vintage Farbfotografie, 20,3 x 25,4 cm
Privatsammlung
© Estate of Ana Mendieta
Dubossarsky & Vinogradov
Underwater, 2002
Öl auf Leinwand, 195 x 145 cm
Privatsammlung
© Dubossarsky & Vinogradov
Robert Mapplethorpe
Aus der Serie «Z Portfolio», 1979 – 1981
1 von 13 mit Selen getönten Abzügen, je 19 x 19 cm
Privatsammlung
© The Robert Mapplethorpe Foundation
Nobuyoshi Araki
Untitled, aus der Serie «Bondage», 1997
Farbfotografie, 51 x 61 cm
Privatsammlung
© Nobuyoshi Araki
Marlene Dumas
Blindfolded, 2001
Öl auf Leinwand, 130 x 110 cm
Privatsammlung
© Marlene Dumas