4. November 2016 bis 19. März 2017, Toni-Areal
Die Ausstellung „Les Suisses de Paris“ im Museum für Gestaltung rückt die Arbeiten bedeutender Paris-Schweizer ins Rampenlicht. Sie haben die grafische Landschaft der Metropole umgekrempelt und bis heute nachhaltig geprägt.
Auf nach Paris! Diesem Ruf folgen ab 1950 viele Schweizer Grafiker und Typografen. Mehrheitlich gut ausgebildete junge Männer aus der deutschen Schweiz suchen hier künstlerische Inspiration, Befreiung von der heimatlichen Enge und vor allem Arbeit. Während zu Hause eine ältere Generation den kleinen Markt dominiert, empfängt man sie in Paris mit offenen Armen. Es locken spannende Aufgaben in Warenhäusern, Agenturen und Verlagen. Und Paris bietet im Unterschied zur Schweiz auch eine nationale Kunstakademie. Etlichen gelingt es, sich hier zu etablieren und Schlüsselpositionen zu erreichen. Paris ist zwar ein Zentrum der künstlerischen Avantgarde und für seine Affichisten berühmt, gilt in Sachen Design jedoch als rückständig. Mit ihrer an der Moderne geschulten, handwerklichen Berufsausbildung vermögen die Schweizer ihre Arbeitgeber zu beeindrucken und sich auch in der Lehre unentbehrlich zu machen. Sie sorgen nicht nur für die Vermittlung der elementaren Grundlagen des Swiss bzw. International Style, sondern reflektieren ebenso die aktuellen Tendenzen wie Op Art, Pop Art oder Nouvelle Vague.
Die wichtigsten Kreationen
Die neue Ausstellung nimmt 22 Protagonisten in den Fokus, die mehrjährig oder dauerhaft in Paris arbeiteten oder immer noch aktiv sind. In acht Themenfeldern zeigt sie deren wichtigste Kreationen, die in internationalen und schweizerischen Teams sowie in enger Zusammenarbeit mit den Pariser Arbeitgebern entstanden sind. Die Vielfalt der Exponate, die von Plakat, Buch, Magazin, Foto, Film, Szenografie bis zu Erscheinungsbild und Signaletik reicht, zeugt von der Begabung und interdisziplinären Aktivität der Paris-Schweizer. Ihren Kreationen entspringt Lebensfreude, urbanes Pulsieren und ein kosmopolitisches Ambiente.
Pioniere und Schlüsselfiguren
Zu den bekanntesten Pionieren der «grafischen Nouvelle Vague» zählen Peter Knapp, Jean Widmer, Adrian Frutiger und Albert Hollenstein. Die drei Erstgenannten absolvieren ihre Ausbildung in Grafik und Schriftgestaltung an der Kunstgewerbeschule Zürich (heute ZHdK), Hollenstein seine Typografielehre in Luzern. Per Autostopp nach Paris gekommen, eröffnet Hollenstein bald ein Studio in Paris, das nebst hauseigenen auch amerikanische Schriften sowie die Neue Haas Grotesk (Helvetica) bekannt macht. Bis zu seinem Unfalltod beschäftigt Hollenstein mehrere Dutzend Mitarbeiter, darunter viele Schweizer. Peter Knapp und Jean Widmer erreichen Paris ebenfalls in den frühen 1950er-Jahren. Sie arbeiten nacheinander für die Verpackungsfirma Tolmer und werden etwas später Art Direktoren des Werbeateliers der Galeries Lafayette, das sie auf einen modernen Kurs bringen. Knapp macht danach – es sind die goldenen 1960er-Jahre – Karriere als Art Direktor der Zeitschrift Elle, Widmer in derselben Funktion bei der Zeitschrift Jardin des Modes. Ihre neuartigen, an der amerikanischen Typografie inspirierten Layouts werden in Paris zu viel beachteten Vorbildern. Danach und dies bis neue Millenium ist Knapp als Fotograf, Art Direktor und Künstler tätig, während Widmer mit seiner Agentur Visuel Design zahlreiche Erscheinungsbilder und Orientierungssysteme für staatliche Kulturinstitutionen wie das Centre Georges Pompidou oder das Musée d’Orsay realisiert. Adrian Frutigers glanzvolle Karriere beginnt in der Pariser Schriftgiesserei Deberny & Peignot, wo er seine Schriftfamilie Univers entwickelt, die sofort zum Welterfolg wird. Ab 1961 führt er ein eigenes Atelier, in dem auch Bruno Pfäffli, André Gürtler und später Hans-Jürg Hunziker arbeiten und wo er zahlreiche wegweisende Schriften entwirft, darunter die Signalisationsschrift der Pariser Metro und die des Pariser Flughafens Charles de Gaulle. Adrian Frutigers Nachlass, der vor wenigen Jahren als Schenkung Eingang in die Sammlungen des Museum für Gestaltung gefunden hat, nimmt eine wichtige Position in dieser Ausstellung ein.
Neuentdeckungen und die jüngere Generation
Im Umfeld und in der Nachfolge der vier Grossen wirken weitere talentierte Gestalter, deren Arbeiten in der Ausstellung neu oder wieder zu entdecken sind: so Sonja Knapps Illustrationen und Imprimé-Stoffe für das Modehaus Ungaro oder Fred Rawylers Grafik für die Stylistin Maïmé Arnodin und die Luxusmarke Hermès. Gleiches gilt für Bruno Suters Werbekampagnen (Benetton, Hermès und die Galeries Lafayette), Fritz Schrags Männermagazin Adam oder Rudi Meyers Kartografien für die französischen Staats- und Schnellbahnen sowie die von Hans-Jürg Hunziker und André Baldinger entwickelten Haus- und Signalisationsschriften. Letzterer gehört mit dem Signaletiker Ruedi Baur einer jüngeren Gestaltergeneration an, die das Stadtbild von Paris auch in Zukunft prägen werden.
Ausstellungsgespräche und Vortrag
Mittwoch, 23. November, 18 Uhr Jean Widmer über seinen beruflichen Werdegang Vortrag von Jean Widmer, visueller Gestalter, Paris In Deutsch und Französisch
Mittwoch, 18. Januar, 18 Uhr Im Zeichen der Kultur: Schriften für Paris und Umgebung Ausstellungsgespräch mit Hans-Jürg Hunziker, Typograf und Schriftgestalter, André Baldinger, visueller Gestalter und Schriftgestalter sowie Barbara Junod
Mittwoch, 8. März, 18 Uhr Art Direction Paris–Zurich Ausstellungsgespräch mit Peter Knapp, Fotograf, Künstler und ehemaliger Art Director, Olivero Toscani, Fotograf, Anton J. Erni, Fotoredaktor NZZ, sowie Christian Brändle