Schätze der Sammlung
30. August bis 13. November 2011
Das Museum ist Ort des Sammelns und Bewahrens. Sammeln ist jedoch kein stilles
Archivieren, sondern ein lebendiger Prozess. Allein in den letzten drei Jahren sind
über 1'400 Arbeiten neu in unsere Sammlung eingegangen.
Sammeln, eine der Kernaufgaben des Museums, heisst, die Kunstwerke und damit
unser kulturelles Vermächtnis zu sichern. «Wer entscheidet heute, an was wir uns
morgen erinnern?», fragte die UNESCO, als sie 1992 das Weltdokumentenerbe-Pro-
gramm ‹Memory of the world› begründete. ‹Museen, unser Gedächtnis!› lautete
auch das Motto des diesjährigen Museumstages.
Das Museum im Lagerhaus und die Stiftung für schweizerische Naive Kunst und
Art Brut, St.Gallen, verschreiben sich mit ihrer Sammlung von Art Brut, Outsider Art,
Naiver Kunst dem UNESCO-Programm in besonderer Weise. Gerade die künstleri-
schen Erzeugnisse, die ohne Rücksicht auf Kunst-Trends aus einer existentiellen
Notwendigkeit entstanden sind, lassen uns unmittelbar am Erleben der Welt, der
Gesellschaft und dem Empfi nden des Individuums teilnehmen. In diesen Arbeiten
wird wie kaum in einer anderen Kunst die zutiefst lebensnotwendige Bedeutung
künstlerischen Schaffens für den Menschen deutlich. Häufig handelt es sich um
Menschen, die psychische und/oder gesellschaftliche Grenzerfahrungen und Trau-
mata erlebt haben, oder um Menschen mit geistiger Behinderung. Naive Künstler
wiederum malen oft erst im Alter, wenn sich neue Freiräume eröffnen. Im künstle-
rischen Schaffen suchen sie alle eine neue, kreative Gestaltung des eigenen Ich.
Glanzstücke unter den Neuzugängen sind eine Schenkung der ‹Blaumeise› (1932)
von Adolf Dietrich, dem ‹Schweizer Rousseau›, sowie der aktuelle Ankauf der ein-
maligen Arbeit ‹Les Cérbères› (2001) von Christine Sefolosha, den die Marie Müller-
Guarnieri- Stiftung, St.Gallen, ermöglichte. In überragender Grösse von 2.38×3.36
Metern ein Museumsstück, steht es exemplarisch für das Gesamtwerk der Künst-
lerin: für ihre Welt der Schattenwesen und malerische Qualität. Farbe, Form, Figur
befinden sich in ewiger Transzendenz.
Herausragend sind umfangreiche Konvolute von 228 Zeichnungen von Martin Brugg-
mann und 50 Bildern von Otto Gilli, Schenkungen von Ignacio Carles-Tolrà, Material-
bilder von Gottfried Röthlisberger und Grossformate von Walter Arnold Steffen. Ei-
nige Werkgruppen kamen mit Ausstellungen in die Museumssammlung, so 169 Arbei-
ten der Schriftstellerin Adelheid Duvanel, rund 200 Arbeiten von Franz Hartl, weitere
Werke von Rosemarie Koczy und François Burland. Andere, wie die Gouachen des
‹Gefangenen› Alois Oehler, waren noch nicht zu sehen.
Die Idee der Sammlung als ‹Gedächtnisspeicher› wird im Kabinett ins Bild gesetzt. In
dichter Hängung zeigen vielfältige Einzelwerke und kleine Gruppen die spannende He-
terogenität der Sammlung – eine vibrierende Batterie künstlerischer Momente.
Unser ausdrücklicher Dank gilt allen KünstlerInnen, die vielfach selbst ihre Arbeiten
dem Museum schenken, sowie allen Donatoren und Stiftern, die mit ihren Gaben die
Sammlung lebendig halten.
Christine Sefolosha (geb. 1955),
"Les Cérbères", 2001,
Tinte, Pigmente auf Japanpapier,
238x336 cm
Alfred Leuzinger (1899-1977),
"Sechs jungen Hündlin",
undatiert, Farbstift auf Papier,
25cm x 35cm