Begegnungen
29. November 2011 bis 11. März 2012
Hans Brühlmann - Gertrud Schwyzer -
Julius Süss - Günther Uecker
(Verborgene Schätze aus Schweizer Psychiatrien II)
Ungewöhnliche Konfrontationen und Begegnungen mit bislang unbekannten Werken
bietet die zweite Präsentation der Reihe „Verborgene Schätze aus Schweizer Psychia-
trien“. Die Ausstellung fokussiert die Rollen von Künstler und Patient, darüber hinaus
lässt die Begegnung mit dem Betrachter viele Perspektiven eröffnen.
Noch nie zu sehen war das Konvolut von rund 200 Zeichnungen des Theaterkritikers
und Schriftstellers Julius Süss (alias Hans Volkmar, 1897-1970), das 1937-1938 in der
Heil- und Pflegeanstalt Rosegg (SO) entstanden ist. In seinen Zeichnungen bezieht sich
Süss meist auf Klassiker der Literatur und Opernwelt wie auf das „Welttheater“: Ironi-
sche Gottesverwandlungen und Bilder des „Irren“ setzt er auf Papier.
Nahezu unbekannt ist auch das \numfangreiche Werk von Gertrud Schwyzer (1896-
1970) aus der \nAppenzell-Ausserrhodischen Heil- und Pflegeanstalt Herisau, von dem
erst\n einmal wenige Blätter ausgestellt waren. Sie porträtiert sich selbst \nsowie ihre
Mitpatientinnen in der Nähstube, am Tisch sitzend, ruhig, \nversunken, aber isoliert.
Einbezogen sind ebenso die Dinge, die ihr \ngehören, gleichsam als erweitertes Ich:
Wäsche, Kleider, Kittelschürzen, Malkasten, Garnrolle und immer wieder ihre Schuhe.
Hans Brühlmann\n (1878-1911), dessen Todestag sich zum hundertsten Mal jährt, gilt
als bedeutender Ostschweizer Maler. Übergangen hat man allerdings seine \n„kranken
Bilder“, die er 1910 im Kantonalen Asyl Wil (SG) malt. \nVerzweiflung formulieren die
„Gefangenenbildern“, während er in \nDarstellungen exzessiver Liebesspiele tiefe Ein-
samkeit wie unbändige \nLust auslotet. Frei und tabulos überschreitet Brühlmann in die-
sen \nGemälden die Grenzen seiner eigenen Kunst.
Berühmt ist der \n„Nagelkünstler“ Günther Uecker (geb. 1930). Mit dem Projekt „Litten-
heid“ fand er erstmals zum Aquarell. 1980 geht Uecker mit einer Gruppe \nStudierender
der Düsseldorfer Akademie in die Klinik für Psychiatrie und\n Psychotherapie Littenheid
(TG). Diese Wochen sind geprägt von den \nBegegnungen mit den PatientInnen. Aus der
Erschütterung heraus sucht \nUecker einen festen Standort in der Landschaft, zeichnet
und \naquarelliert sie aus dem Bedürfnis nach Balance und Gleichmut – die \nLandschaft
wird zum Widerpart des Menschen.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von:
Matthias\n Frehner (Direktor Kunstmuseum Bern), Hans Geigenmüller (ehem. Chefarzt
\nder Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Littenheid), Monika \nJagfeld (Direktorin
Museum im Lagerhaus), Anna Lehninger \n(Kunsthistorikerin, Zürich).
Julius Süss (1897-1970), Ohne Titel, undatiert,
Bleistift auf Papier, 11.3x18.1 cm, Privatbesitz
Gertrud Schwyzer (1896-1970), Porträts und Kleider,
undatiert, Aquarell, Farbstift in Skizzenbuch, 14x21.5 cm,
Kantonale Kunstsammlung Appenzell Ausserrhoden
Hans Brühlmann, (1878-1911), "Die Verzweiflung des Gefangenen", 1910,
Öl auf Packpapier, auf Karton montiert, 23.5x26.5 cm, Kunstmuseum St. Gallen