27. August bis 17. November 2013
„Wenn ich Gesichter male, wage ich es, andere Menschen anzusehen.“ (Hans Weder)
Der Augenblick ist ein kurzer Moment, der ungeheure Bedeutung erlangen kann. Für die
Begegnung mit einem anderen Menschen ist der erste AugenBlick entscheidend: der Blick
in das Gesicht, die Begegnung der Blicke. Die Augen gelten als „Spiegel der Seele“. In der
Kunst spielen Porträts über Jahrhunderte hinweg eine grundlegende Rolle, gilt es nicht nur
die äussere Erscheinung des Menschen zu erfassen, sondern auch seine innere Persönlich-
keit und Befindlichkeit. Eine besondere Bedeutung kommt dabei dem Selbstporträt zu.
Von der „Beseeltheit des Porträts“ spricht der Kulturphilosoph Georg Simmel und meint da-
mit die Einheit des Körperlichen und Seelischen, deren Grundvoraussetzung darin liege,
dass das Porträt seinerseits „Schöpfung einer Seele ist“. Im Bildnis transformiert das Ich
zu einem Du, wird ein „Für-sich-Seiendes“ und ist zugleich dem Ich „innerlich näher als
irgend solches, das nur seelischer Inhalt, aber nicht selbst Seele ist“. So stellt das Bildnis
auch in seiner Abstraktion immer ein Gegenüber dar, das zur Auseinandersetzung auffor-
dert – Kunstschaffende wie BetrachterInnen.
Die Bildnisse von Hans Weder (*1953) muten an wie Psychogramme. Immer wieder gestal-
tet er das menschliche Antlitz: malerisch modelliert, in wenigen Strichen hingeworfen, ver-
letzt, mit Farbmalen wie Wunden versehen oder reduziert auf einzelne Linien, die Auge, Na-
se, Mund markieren. Ihm gilt das Bildnis auch als Gegenüber in der Einsamkeit. Ein Aussen-
seiter als Maler ist der Bildhauer Walter Casanova (1918-1999). Hunderte von Gesichtern
zeigen sein einsames obsessives Schaffen in rauschhaften Arbeitsexzessen, das der Künst-
ler selbst immer verborgen hält. Erst nach seinem Tod wird das ungestüme wie emotionale
Werk der Öffentlichkeit offenbart. Das Wechselspiel vom Ich zum Du, das Spiel mit dem alter
ego oder auch mit dem anderen Geschlecht, vor allem aber das mediale Zusammenspiel von
Skulptur und Zeichnung treibt Manuel Müller (*1955). Ein Grenzgänger zwischen Outsider
Art und Professionalität ist er ganz der menschlichen Figur verhaftet. Im Zentrum der Bäue-
rin Berta Balzli (1920-2010) stehen ätherische Frauenfiguren, meist traumhaft in einen nicht
bestimmten Raum gesetzt. Otto Gilli (*1940) ist bekannt für seine nervösen Menschendar-
stellungen in Tusche oder als Fingermalereien. Ab Ende der 1990er Jahre entsteht eine Se-
rie von Bildnissen in Aquarell und Acryl, die Titel wie „Ich“, „Selbst“, „Angst“, „Trauer“ und
„Tod“ tragen. Porträts und Selbstporträts zeigt die Autodidaktin Cornelia Keller (*1982) in
schnell umrissenen Gesichtern, die sie als „Ausbrüche“ bezeichnet, während Stefan Gruber
(*1972) das Malen „Flucht“ bedeutet. Er malt Gesichter, weil sie „das Leben widerspiegeln“.
Otto Gilli (*1940)
"Angst I", 2004
Aquarell auf Zeichenkarton
Schenkung des Künstlers 2011
© Museum im Lagerhaus
Stefan Gruber (*1972)
Ohne Titel, 2010-2013
Wasserfarbe auf Papier
Leihgabe des Künstlers
© Stefan Gruber
Stefan Gruber (*1972)
Ohne Titel, 2010-2013
Wasserfarbe auf Papier
Leihgabe des Künstlers
© Stefan Gruber
Berta Balzli (1920-2010)
Ohne Titel, undatiert
Acryl auf Papier auf Spanplatte aufgezogen
Schenkung Margrit Balzli 2011
© Museum im Lagerhaus
Berta Balzli (1920-2010)
Ohne Titel, undatiert
Acryl auf Papier auf Spanplatte aufgezogen
Schenkung Margrit Balzli 2011
© Museum im Lagerhaus
Cornelia Keller (*1982)
Ohne Titel, 2009
Kreide auf Papier
Leihgabe der Künstlerin
© Cornelia Keller
Cornelia Keller (*1982)
Ohne Titel, 2010
Ölstift auf Papier
Leihgabe der Künstlerin
© Cornelia Keller
Hans Weder (*1953)
Ohne Titel, undatiert
Acryl auf Papier
© Karl Müller, Roggwil
Otto Gilli (*1940)
Ohne Titel, 1998
Aquarell auf Zeichenkarton
Schenkung des Künstlers 2011
© Museum im Lagerhaus
Walter Casanova (1918-1999)
Ohne Titel, undatiert
Öl auf Leinwand
© Galerie PiusMüller ArtSeefeld, Zürich
Walter Casanova (1918-1999)
Selbstporträt, 1973
Öl auf Leinwand
© Galerie PiusMüller ArtSeefeld, Zürich
Hans Weder (*1953)
"Im Aquarium", 1993
Gouache auf Papier
© Leihgabe des Künstlers